Samstag, 24. Januar 2009
 
Mit Fischblase und Scheidenbläsern PDF Drucken E-Mail
Geschrieben von Ralf Leonhard   
Montag, 26. März 2007

Den Dung des Nilkrokodils verordneten die alten Ägypter ihren Frauen zur vaginalen Applikation. Aristoteles empfahl den Kretern Sex unter Männern. König Minos benützte um 1200 v. Chr. eine Fischblase, Casanova schwor auf Baumwollbällchen, für den Papst gibt es nur Enthaltsamkeit. Familienplanung ist so alt wie die Zivilisation und hatte immer Gegner wie Befürworter. Vor allem, wenn es um Schwangerschaftsunterbrechung geht, scheiden sich die Geister.

Weil die jungen Menschen trotz 40 Jahren sexueller Revolution immer noch erschreckend wenig über die menschliche Reproduktion wissen, hat der Wiener Gynäkologe Christian Fiala gegenüber seiner eigenen Praxis ein Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch eingerichtet, das seit 16.März für die interessierte Öffentlichkeit zugänglich ist. Obwohl die Abtreibung bis zur 12. Woche in Österreich seit 1975 erlaubt ist, greifen immer noch viele Frauen zu abenteuerlichen Methoden, um sich von der ungewollten Leibesfrucht zu trennen. Das belegt eine beeindruckende Sammlung von Alltagsgegenständen, die der Frauenarzt aus dem Unterleib seiner Patientinnen befördern musste.

Die Krokodilsstuhlprobe in der Phiole stammt nicht aus dem 19. vorchristlichen Jahrhundert, wie der Papyrus Petri, wo das effiziente Spermatozid neben Honig gepriesen wird. Die gefriergetrockneten Reptilienausscheidungen sind eine Spende des Tiergartens Schönbrunn. Doch sonst sind die ausgestellten Artefakte größtenteils Originale, wie Susanne Krejsa, die Kuratorin der Sammlung, versichert. Da gibt es an Samoware erinnernde Scheidenspülgeräte und klistierähnliche Scheidenbläser für danach, Kondome aus Fischblasen, Schwämmchen, Kupferspiralen in jeder nur vorstellbaren Form und natürlich Pillen aus der Früh- und Jetztzeit für die Vorbeugung. Dazu jede Menge an Texten, Videos und die Magnetresonanztomographie eines Geschlechtsverkehrs als perpetuum mobile – eher unerotisch.

Nicht im Original zu sehen ist der südafrikanische Krallenfrosch der in den 1940er Jahren von einem brasilianischen Wissenschaftler als zuverlässiger Träger für Schwangerschaftstests entdeckt wurde. Den Amphibien wurde der Morgenurin von Frauen unter die Haut gespritzt. War die Frau schwanger, entwickelte das Froschmännchen binnen drei Stunden frisches Sperma. Obwohl dieses Verfahren bis Mitte der 1960er Jahre weltweit praktiziert wurde, erinnert sich heute kaum mehr jemand daran. Frau Krejsa sieht die Aufgabe des Museums auch darin, solche Erfahrungen vor dem Vergessen zu bewahren.

Finanziert wurde die Sammlung größtenteils aus der Hinterlassenschaft von Fialas Vater. Von Parteien oder Firmen wollte man nicht abhängig sein. Eine weise Entscheidung: kaum war das Museum eröffnet, meldete sich die Wiener ÖVP zu Wort. Man brauche kein Tötungsmuseum. Auf Protestaktionen muß man sich einstellen. Josef Preßlmayer, Kurator des "Ersten Europäischen Lebensschutz-Museums", tobt auf einer christlich-fundamentalistischen Website, "daß eine Privatschule der Erzdiözese Wien dem Kinderschlachthof des Lohnschlächters Fiala einen Besuch abstattet".

In Wahrheit ist dem Schwangerschaftsabbruch der kleinere Teil der Sammlung gewidmet. Außer dem wenig einladenden Küchentisch einer Wiener Engelmacherin und den Geräten für eine professionelle Kürettage werden vor allem Berichte über Strafverfahren gegen Abtreibungsärzte- oder praktikerinnen und deren Klientinnen sowie erschreckende Statistiken über die tödlichen Folgen illegaler Eingriffe ausgestellt. Dokumente über den Feldzug der Feministinnen gegen das Abtreibungsverbot ergänzen die Schau. In Österreich ging es relativ schnell und schmerzlos, weil die Initiative von der Reformregierung Bruno Kreiskys und der ersten Frauenministerin Johanna Dohnal getragen wurde. In Deutschland dauerte der Kampf gegen den § 218 des Reichsstrafgesetzes von 1871 bis zum Jahr des Mauerfalls 1989.

www.muvs.at

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